Celsissimus
By Arthur Achleitner

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XIII.

Bei aller Freundschaft zum Grafen Lamberg liebte es Wolf Dietrich doch, seine Umgebung immer mehr zu verwelschen; so hatte er den Juristen Agostino Tandio aus Siena zu seinem Geheimschreiber, den Mailänder Sebastian Cattaneo zum Weihbischof und Bischof von Chiemsee ernannt. Baumeister des Fürsten war J.B. Minguarda, eine wichtige Persönlichkeit am Hofe des baulustigen Erzbischofs.

Als Wolf Dietrich aber mit Cattaneo zerfallen war, kamen der Reihe nach nur Italiener zur Würde des Weihbischofs, die bestrebt waren, bei Hof zu Einfluß zu gelangen. Indes hielt der Fürst in politischen Angelegenheiten doch am bewährten Ratgeber Lamberg fest, der am meisten damit vertraut war; allerdings war ein dem Charakter des Erzbischofs entsprechendes sprungweises Vorgehen aus eigener Initiative nie ausgeschlossen, und Lamberg wie die Hofräte bekamen dann die mißliche Aufgabe, in heiklen diplomatischen Verhandlungen beschwichtigend zu wirken und den verfahrenen Karren wo möglich wieder ins Geleise zu bringen.

Ein Sprung dieser Art war das plötzliche Angebot an Kaiser Rudolf II., dessen Sudwerk zu Ischl im Salzkammergut auf ewige Zeiten mit Holz aus den Wäldern des salzburgischen Pfleggerichts Hüttenstein zu versorgen. Natürlich konnte diese Spende des bisher im Geben sehr spröden Fürsten den Kaiser nur erfreuen. Weniger erbaut davon waren die Hofräte, welche sich den Kopf schier zerbrachen, um das Motiv solcher Spende und einer unfaßlichen Konzilianz zu entdecken. Und erst auf vorsichtig betretenen Umwegen vermochten die Juristen Wolf Dietrichs herauszubringen, daß der Fürst eine Annäherung an den Kaiser wünschte, und mit Mühe setzten die Räte bei der zu Pilsen erfolgten Vertragsschließung die Klausel durch, daß es dem Erzstift freistehen sollte, die Holzspende wieder aufzuheben, wenn Österreich das Halleiner Salz an seinem freien Gang nach Böhmen hindern oder sperren würde. In diesem Sinne wurde denn auch der Vertrag geschlossen, und Wolf Dietrich kam durch sein Entgegenkommen mit dem Kaiser auf guten Fuß, verdarb es aber dementsprechend mit dem bayerischen Nachbar, der in der Spende nichts anderes erblicken konnte, als den geglückten Versuch, daß Salzburg sich den ungehemmten Ausgang des Halleiner Salzes nach Böhmen sichern wollte.

Das fürstliche Geschenk mußte zu München geradezu verblüffen, und zwar im Hinblick auf die bisherigen Klagen des Fürsten auf Reichstagen über Geldmangel, Minderertrag der Bergwerke, demzufolge Wolf Dietrich dem Kaiser die erbetene Hilfe in der gewünschten Höhe verweigern zu müssen erklärt hatte. Herzog Max von Bayern konnte hier nur einen argen Widerspruch finden, der indes jene Holzspende noch übertrumpfte, als in München bekannt wurde, auf welch’ pomphafte, nie dagewesene Weise der Erzbischof den zu Gast gekommenen spanischen Admiral Francisco de Mendoza empfing und mit einer Pracht und Üppigkeit bewirtete, die den Admiral veranlaßte, zu verkünden, daß der Erzfürst von Salzburg nicht nur der prunkliebendste, sondern auch der reichste unter den Kirchenfürsten Deutschlands sein müsse.

Als der Spanier aber den gastlichen Hof zu Salzburg verlassen hatte, wehte insofern ein anderer Wind durch das Palais, als der Hofkastner wieder einmal vor leeren Kassen stand und sich innerhalb des Kapitels Stimmen erhoben, die sich erlaubten, solch ungeheuerliche Prachtentfaltung zu tadeln und zugleich an Erfüllung jener Verbindlichkeiten zu erinnern, die Wolf Dietrich bei der Wahlkapitulation vor nun sehr geraumer Zeit übernommen.

Mit einem Aufbrausen und einfachen Mandat war einer solchen Situation nicht zu entgehen; Wolf Dietrich konnte, da das Kapitel gegen ihn auftrat, auch nicht auf die Hilfe Lambergs zählen, der doch als Kapitular dem Kapitel angehörte. Der Fürst fand den ersehnten Ausweg, indem er alle Unkosten der Regierung auflastete und deduzierte: Der gewählte Erzbischof übt die Regierung aus, also ist er vollkommener Nutznießer und Herr aller Einkünfte, Regalien und Gefälle des Erzstiftes gegen Entrichtung der dem Erzstift obliegenden Bürden; der regierende Fürst könne also auch mit etwaig erspartem Vermögen bei seinen Lebzeiten frei schalten und walten, dasselbe verschenken und auf Stiftungen verwenden; hingegen solle dasjenige, was er nach seinem Tode an Gebäuden, Fahrnissen und Barschaft hinterlasse, dem Erzstift anheimfallen.

Mit diesem meisterhaften Schachzug, der Vertröstung auf die Erbschaft vermochte der kluge Fürst thatsächlich das Kapitel zu einem diesbezüglichen Vertrag zu bewegen, und nun war Wolf Dietrich dessen sicher, in Zukunft vor den unzufriedenen Dränglern Ruhe zu bekommen. Das Kapitel war einfach auf die Zukunft verwiesen und muß warten, bis der regierende Herr mit dem Tod abgegangen sein wird. Was sich dann als Nachlaß, insonders in Bar vorfindet, das ist eine andere Sache. Somit hatte sich die stetig vollzogene Berufung von Opportunisten ins Kapitel bis auf die nörgelnden alten Domherren ebenso gut bewährt, wie die vom Fürsten vorgenommene Auswechslung von ihm ergebenen Personen im Stadtrat. Dort hatte Bürgermeister Ludwig Alt einem Stadthauptmann Platz machen müssen, zum Syndikus wurde gleichfalls eine andere Persönlichkeit ernannt, und kurz darauf wurden beide Posten wieder aufgehoben und mit Bürgern besetzt, über deren freundlich ergebene Gesinnung kein Zweifel obwalten konnte.

Damit aber Geld in den Kasten kam, wurde die Türkensteuer, welche der Fürst nur in bescheidenen Teilen dem Kaiser gewährte, voll in der Höhe der kaiserlichen Forderung weiter erhoben und das Überplus dem fürstlichen Fiskus eingeliefert.

Jahre zogen ins stiftische Land und reicher Kindersegen ward dem Fürsten zu teil, der treu zu seiner Salome hielt. Der Nörgler an seinen Beziehungen zur schönen Frau unter der Bürgerschaft wurden immer weniger, sie fanden das Verhältnis zwar nicht in Ordnung, doch imponierte selbst den verbissensten Patriziern die Treue, das Festhalten des Fürsten an einer zur Gemahlin erkorenen Frau zu einer Zeit, da die Konkubinenwirtschaft weit verbreitet und fast nicht mehr anstößig empfunden ward. Und bei Notleidenden, Kranken, Armen und Siechen gab es überhaupt nur eine Stimme dankbarsten Lobes für Wolf Dietrich und Salome, deren Wohlthätigkeit im ganzen Erzstift bekannt war.

Im trauten Zusammensein mit Salome überkamen aber doch den Fürsten manchmal trübe Gedanken, die vertrauliche Mitteilungen aus Rom immer wieder wachriefen, Berichte über Bayerns stetige Versuche, den Salzburger zu diskreditieren eben seines Verhältnisses zu Salome wegen.

In solchen Momenten rief Wolf Dietrich unmutig, verbittert aus, daß kleinlich sei des Herzogs Machenschaften, und unfaßlich das Zögern Roms. “Hab’ ich Gregors Machtwort respektiert, gekränkt dadurch mein treues Weib, nicht eingelöst mein fürstlich Wort, entbehrt der Bund des kirchlichen Segens, was soll Verleumdung weiter! Will Rom ein abermalig Machtwort sprechen, sei’s drum! Des stetig Sticheln bin ich wahrlich überdrüssig, säh’ lieber ein feindlich Andringen!”

Immer verstand es Salome, den Gebieter durch zarte Rede zu beruhigen, zu trösten über das Ungemach, das schließlich ja nicht unverdient genannt werden könne.

Im Gefühle innig aufquellender Liebe rief Wolf Dietrich: “Das sagt Salome, der ich die Ehe einst gelobt, mein Weib, dem das Wort ich gebrochen?!” “Ja, geliebter Herr und Gebieter! Wohl hab’ ich ersehnt heiß die kirchlich Einsegnung unseres Bundes, wie jedes liebend Weib im innerst Fühlen solche Segnung wird erstreben; doch in meinem Falle eracht’ ich es als höchste Pflicht, zu unterordnen mich den höheren Geboten, zu fügen mich und alles verhindern nach Kräften was gefährden könnte Thron und Leben meines gnädigen Herrn!”

Von Herzen dankbar zog Wolf Dietrich die Getreue in seine Arme und küßte die weiße Stirn Salomens.

Sich der Umschlingung entziehend, sprach Salome dann leise: “Mein gnädiger Herr! Ein Wort im Vertrauen möge mir verstattet sein!”

“Sprich, Geliebte, ich bin ganz Ohr für dich!”

“In schuldiger Demut tret’ ich, wie schon gestanden, willig in den Hintergrund. Als Mutter aber muß ich für unsere Kinder nach meinen Kräften sorgen–”

“Salome! Ich thue sicherlich das Meinige! Will nicht hoffen, daß Ursach’ ist zur geringsten Klage?!”

“Mit nichten, theurer Gebieter! Wahrlich fürstlich ist zu nennen die Fürsorge für mich und die Kleinen. Allein der Blick muß weit hinaus sich richten....”

“Ich verstehe mählich! Geurkundet ist bereits, daß führen wird jeder Sproß aus unserem glücklich Bund meinen Namen Raittenau! Das gilt für unseren Erstling Wolf wie für unsere andern Kinder!”

“Verzeiht mir, hoher Herr und geliebter Gönner! Geurkundet hat der Stiftsherr, zugleich Erzbischof mit Handschrift und dem Siegel. Zwingt solche Urkund’ aber unsere Feinde zur Anerkennung einer legitimen Abstammung, da nichtig ist der Bund der Eltern?”

“Ob der Bayer wird nennen meine Kinder nach meinem Namen, mich könnt’ kalt dies lassen!” erwiderte in trotziger Geringschätzung der Fürst.

“Doch nicht, gnädiger Herr! Just der Bayer soll gezwungen sein, anzuerkennen solche Urkunde”

Überrascht blickte Wolf Dietrich auf, er wußte nicht im Augenblick, wohinaus Salome wolle. “Den Bayer zwingen? Dazu reicht Salzburgs Macht nicht wohl aus!”

“Nicht Salzburg hätte ich im Auge, der Kaiser kann ihn zwingen!”

“Der–Kaiser?! Salome, deiner Gedanken hoher Flug setzt mich fürwahr ins Staunen!”

“Wie Salzburg steht zum Kaiser, ich weiß dies nicht. Ein bittend Wort, mein’ ich, und gerne wird des Reiches höchster Herr betätigen des Stiftsherrn Urkund’––!”

“Hm!” Gedankenvoll schritt Wolf Dietrich im reich geschmückten Wohngemach hin und her, nicht eben angenehm berührt von den Plänen Salomes, die zu realisieren das schwankende Verhältnis Salzburgs zum Kaiser sehr erschwert. Ist der Fürst in diesen Tagen persona grata bei Rudolf, es kann solche Beziehung sich ändern binnen wenigen Tagen, und von besonderer tief empfundener Ergebenheit zum Kaiser spürt Wolf Dietrich wenig in seinem Herzen. Dies aber der Gemahlin zu sagen, geht nicht an. Zu Salome tretend, sprach der Fürst: “Solch’ wichtige Sache will überlegt, sorglich betreuet sein. Ich werde deinen Plan im Aug’ behalten und zur rechten Zeit den rechten Schritt thun!”

“Wie mein gnädiger Herr befiehlt! Nur bitt’ ich in schuldiger Ehrfurcht, es möge nicht zu lang gezögert werden, wasmaßen vom Herzog Max nicht viel des Guten zu versehen ist!”

“Pah, der Bayer! Ein Mann, der im Rücken kämpft und salzhungrig ist!”

Salome kannte den Fürsten zu genau, um in Momenten solcher Geringschätzung eine Umstimmung, eine Warnung zu versuchen, womit nur das Gegenteil, erbitterter Trotz, erreicht würde. Die kluge Frau wollte aber auch nicht beitragen, die Mißachtung und Unterschätzung eines gefährlichen Gegners zu fördern, und so beschränkte sich Salome darauf, den Gebieter zu bitten, die für die Kinder wichtige Angelegenheit nicht aus dem Auge verlieren zu wollen.

Mit einer leisen Verstimmung im Herzen kehrte Wolf Dietrich in seine Apartements zurück. Briefe Lambergs aus Regensburg, die ein Kurier eben gebracht, konnten die Laune des Fürsten nicht verbessern. Lamberg berichtete, daß der Reichstag gesprengt sei infolge der wegen der Erneuerung des Religionsfriedens zwischen den protestantischen und katholischen Ständen ausgebrochenen Streitigkeiten, und daß bisher die Gesandten Salzburgs mit der katholischen Partei gegangen seien. Die protestantische Bewegungspartei habe nun die “Union” errichtet, eifrige Katholiken seien daran, als Gegengewicht die “Liga” zu gründen, und so frage Lamberg an, ob Salzburgs Vertreter dieser Liga beitreten dürfen oder nicht.

Das umfangreiche Schreiben schloß mit dieser Frage ab, Lamberg hatte es unterlassen, seiner Meinung betreffs eines Beitrittes zur Liga irgend welchen Ausdruck zu geben.

Wolf Dietrich erfaßte sehr wohl die Bedeutung dieser Angelegenheit und überlas den Bericht sogleich ein zweites Mal, um es dann achselzuckend aus der Hand zu legen, wobei der Fürst murmelte: “Will der Bayer und sein Anhang die Liga, soll er sie gründen, ich thu’ nicht mit; habe genug im eigenen Land zu sorgen und zu walten. Immer der Bayer! Der Mainzer und all’ die anderen mit dem Kurhut auf den dicken Köpfen! Wolf Dietrich thut euch den Gefallen nicht, er will nicht das fünfte Rad am Wagen sein! Meine Politik mach’ ich selber, und brauche keinen Jesuiten-Max dazu!”

Eine Ordre rief die Gesandten Salzburgs heim, der Liga-Angelegenheit ward mit keinem Wort erwähnt.

Es schien, als hätte Wolf Dietrich sich mit diesen Zeilen den Ärger vom Halse weggeschrieben, in fast fröhlicher, zum mindesten aber boshafter Stimmung begab er sich, da es Zeit zur Tafel geworden, zu Salome, die ob der Veränderung der Laune den Gebieter erstaunt betrachtete.

Der Fürst erlustierte sich an der Verwunderung Salomens, setzte sich auf ein Tabouret und lachte laut vor sich hin. “Willst wissen, Geliebte, was meinen Sinn erheitert? Kann’s nicht sagen! Haha! Ein köstlich Erinnern!”

“Betrifft es mich, gnädiger Herr?” fragte, schalkhaft werdend, Salome.

“Ging es nach Maxens Sinn, könnt’ es schon sein!”

“Wen meint mein Gebieter mit sothanem ’Max’?”

“Haha! Wen anders als den freundlichen Nachbar! Will eine Liga gründen, der brave Mann! Die alte Liga reicht nicht aus! Kam mir just in Erinnerung, was Maximilian Prächtiges geleistet, excellentissime!”

“Und das wäre?”

“Der Herzog führte Krieg gegen–der hübschen Weiber kurze Röcke und pönte die nackten Knie seiner Bergbauern!”

“So streng soll der Bayern-Herzog sein?”

“Noch mehr! Er giebt Fanggeld für Ehebruch-Denunzianten! Muß lieblich Leben sein im Bayerlande! Und bei solchen Auswüchsen mutet man mir zu, die Jesuiten, die den Herzog in den Fingern haben, zu berufen in das Erzstift. Können lange warten! Salome, geh’ nicht nach Bayern, laß deine kleinen Füßchen nimmer sehen vor einem Bayer, ansonsten wird Salome gepönt, verliert den schönen Kopf!”

Die Favoritin staunte über solche Spottlust, die Wolf Dietrich überkommen; der Fürst war kaum zu erkennen in dem Sticklachen, das ihm den Kopf rötete. Es bedurfte einiger Zeit, bis Wolf Dietrich ruhiger wurde, und Salome nützte dieses Intervall, um sich durch vorsichtige Fragen einigermaßen über die jetzigen Beziehungen Salzburgs zu Bayern zu orientieren. Wo der Stiftsherr so grimmig spöttelt, kann es mit der Freundschaft nicht zum besten bestellt sein, das zu erraten fand auch Salome nicht schwer.

Wolf Dietrich ging auf die Fragen seiner Freundin williger denn erwartet ein, es schien ihm, nachdem der Lachreiz überwunden, Bedürfnis, seine Meinung vertraulich auszusprechen. Freilich blieb mancher Ausdruck in lateinischer Sprache der Dame unverständlich, Salome mußte sich aufs Raten verlegen und deutete das “aut Caesar aut nihil” dahin, daß der Gebieter entweder zu öberst in der Liga sitzen oder gar nicht mitthun wolle.

Die weiteren Bemerkungen des Fürsten bekräftigten diese Auffassung: “Wo der Bayer das Direktorium hat, geht Salzburgs Stiftsherr nimmer mit, wasmaßen immerdar geizet nach der Hegemonie im deutschen Süden. Die Vorherrschaft gebühret aber dem Erzstift, ich bin Primas von Deutschland, nicht der Bayern-Herzog!”

Vorsichtig fragte Salome: “So strebet der Nachbar wohl gar die Erbschaft im Erzstift an?”

Höhnisch rief Wolf Dietrich und richtete sich dabei auf: “Soll er wie er will und mag! Wird ihm nichts nützen, an meiner Thür ist ein tüchtiger Riegel vorgeschoben und diesen bringt kein Herzog und kein Kaiser weg!”

“Mein gnädiger Herr spricht in Rätseln!”

“Keineswegs, und Salome wird gleich verstehen, wenn ich sage: Ins Erzstift darf mir kein Prinz von Bayern, auch nicht von Österreich kommen; den Koadjutor bestimmen wir selbst, und das von mir und dem Kapitel aufgestellte Statut schließt die Wahl von bayrischen und österreichischen Prinzen für immer aus. Das ist der Riegel vor der porta salisburgensis, von dem ich gesprochen!”

Ängstlich fragte Salome: “Mußte das sein?”

“Ja, Geliebte! Wir wollen Ruhe haben im Erzstift und das Kapitel hat ein Recht darauf, seinen Herrn und Fürsten nach eigenem Gutdünken zu wählen. Wie die Kapitulare mich aus ihrer Mitte einst erwählet, so soll es fürder bleiben, und für hungrige Prinzen bleibt Salzburgs Thron verschlossen!”

“Was sagt der Bayer zu solchem Statut?”

“Kaum, so will mich dünken, wird Herzog Max darob erfreut sein, und in Innerösterreich wird man die Trauben sauer finden! Sollen es ändern, wenn sie können! Zwang zur Wahl ist exkludieret!”

“Und was wird man sagen, wenn mein gnädiger Herr der Liga ferne bleibt?”

“Was frag’ ich darum?! Mißlich mag es dem Herzog sein, so Salzburg sich weigert, betreiben wird er sothanen Anschluß, die Kirchenfürsten angehen, so den Mainzer und die Herren von Köln und Trier, aber ich will nicht!”

“Kann der Papst das nicht befehlen oder gar der Kaiser?”

“Nein! Intervenieren werden beide wohl und Gesandte schicken haufenweise, ich aber bleibe fest, die Liga mit Max an der Spitze ist nichts als eine bayerische Praktik! Dem Kaiser werd’ ich sagen, sothanes Bedürfnis ist schädlich ihm und dem Hause Österreich, weil zu sehr kräftigt es den Bayer.”

In Salome stieg eine düstere Ahnung auf, daß dieser Sachverhalt gefährlich für Salzburg werden könne, doch schwieg sie, da sie sich keines Ausweges sicher war und keines Rates wußte. Gewandt das Thema wechselnd fragte Salome: “Will mein Fürst und Herr mich anjetzto wohl zur Tafel führen?”

Galant reichte Wolf Dietrich ihr den Arm und verließ das Frauengemach mit Salome unter Vorantritt der im Vorzimmer versammelt gewesenen Pagen und Kämmerlinge.

Wenige Tage darauf lief das offizielle Schreiben des Herzogs Max mit der Einladung zum Beitritt in die Liga ein, und Wolf Dietrich, maßlos erzürnt, warf das Schreiben zu Boden und stampfte mit den Füßen darauf.

Wie der Fürst es vorausgesagt, begannen nun die Versuche der Kirchenfürsten, den Erzbischof von Salzburg umzustimmen; Gesandte kamen aus München, Mainz und Köln, auf Betreiben des Bayers fanden sich auch die Bischöfe von Konstanz und Augsburg in Salzburg ein, die Wolf Dietrich der Reihe nach vorließ, ihren Vortrag anhörte und dann mit ausweichendem Bescheid heimkehren ließ.

Und als Kaiser Rudolf monierte, schickte der Erzbischof seinen Rat Sunzinger zum kaiserlichen Rat Hegenmüller nach Passau mit dem Auftrag, zu vermelden: Der Stiftsherr von Salzburg warne Seine Kaiserliche Majestät vor der Liga und der damit verbundenen Stärkung bayerischer Macht und rate, das in Passau liegende Kriegsvolk in Waffen zu halten, auf “daß dem Adler die Krallen nicht zu kurz geschnitten würden”.

Schlauer Weise hatte Wolf Dietrich seinem Gesandten zugleich eine Anweisung auf 24000 Gulden mitgegeben, mit der Ordre, dieselbe zu präsentieren, wenn der Vertreter des Kaisers jammern würde, daß Kaiser Rudolf nicht die Mittel für die Unterhaltung des Passauer Kriegsvolkes zur Verfügung haben sollte.

Wie berechnet, kam es so, das Geld wurde mit Freuden angenommen, das kaiserliche Kriegsvolk blieb unter Waffen in Passau und sicherte dem schlauen Salzburger einen gewissen Rückhalt gegen Bayern.

Herzog Max faßte diesen Schachzug direkt als Feindseligkeit auf, sowohl gegen Bayern wie gegen die katholische Liga, und von dieser Ansicht bis zur mehr minder offen ausgesprochenen Meinung, daß der Salzburger es mit den Ketzern halte, war nur ein kleiner Schritt, der denn auch alsbald erfolgte. So steigerte sich der Unwillen gegen Wolf Dietrich zur schweren Verdächtigung, Rom ward verstimmt und mißtrauisch, und in München begann man Material zu einer Anklage zu sammeln, die durch das Leben Wolf Dietrichs mit Salome unschwer zu begründen war.

So türmten sich dunkle, gewitterschwangere Wolken über Salzburgs Himmel auf. Der Fürst aber glaubte allen trotzen zu können und blieb blind gegen die aufziehenden Gefahren.

Salome hingegen erkannte instinktiv das Nahen einer Katastrophe und beriet sich mit Lamberg über Schritte zur Sicherung der Familie und ihrer Ersparnisse.

Inmitten dieser Wirren und diplomatischen Kämpfe vergaß Wolf Dietrich keineswegs seiner Bauten, für welche Geldmittel reichlich genug vorhanden waren, dank der stetig fließenden Steuerquellen. Es füllt die Aufzählung kleiner Bauten, Kapellen, Chöre, Restaurierungen in Kirchen und Klöstern, Aufrichtung neuer Altäre, Kirchenfenstern von höchstem Kunstwert &c. allein ganze Bände. Der Fürst aber wollte für Salome einen eigenen Palast haben, und im Jahre 1606 erstand das für diese Zeit feenhafte Schloß ’Altenau’[17] im italienischen Stil zur Erinnerung an Salome Alt. Eine Marmortafel über dem Einfahrtsthore enthielt die von Wolf Dietrich selbst verfaßten Verse:

  Raittnaviae stirpis divino e munere princeps
  Ad rapidas Salzac praetereuntis aquas
  Impatiens otii, spirans magis ardua quondam,
  Nunc, ubi per morbos corpore deficio,
  Has tacitas aedes fessus portumque silentem
  Hunc mihi semestri tempore constituo.

Dieses Schloß stand auf dem rechten, noch wenig bewohnten Salzach-Ufer und gab der landschaftlichen Umgebung ein eigentümliches, fremdartiges Gepräge. Die Villa Altenau mochte wohl auch zum Anstoß für weitere Bebauung dieses Ufergeländes gegeben haben.

Salome, welche mit der stattlich angewachsenen Kinderschar (sieben Töchter und drei Söhne) bisher in der alten Münze, dem Anbau zur Residenz, gewohnt, übersiedelte bald nach Fertigstellung des Schlosses nach ’Altenau’, und hier im Kreise seiner Familie verbrachte Wolf Dietrich seine Mußestunden und lebte seinem idyllischen Glück, pflegte der schönen Künste und Wissenschaften, und verscheuchte die immer dräuenderen Sorgen hinter sich.

Was die Salzburger zur Erbauung des Prachtschlosses sagten, findet sich in Steinhausers Chronik interessant verzeichnet:

  “Um dise Zeit auch hat der hochwürdigst Fürst und Herr, Herr Wolf
  Dietrich ain schöns, groß, geviert, herrliches Gepeu, wie ain Schloß
  oder Vestung, mit ainem wolgezierten, von Plech gedeckten, glanzeten
  Thurn, und inwendig, auch außen herumb, mit schönnen Gärten von
  allerlai Kreüthwerch, Paumbgewächs und Früchten geziert und versehen,
  pauen und aufrichten lassen,–auch solchen Pau Altenauen genennt. In
  solchem schönen Gepeü hat der Erzbischoff und die Seinigen &c. sich
  oftmallen belustigt und vilmals sowol morgens als abents die Malzeiten
  daselbst genossen und allerlai ehrliche Freüdenspill und Kurzweil
  darinnen getriben. Dieses herrliche, schöne, Gepeü, gleich einem
  fürstlichen Hof, hat abermal vil tausent Gulden gestanten; aber die
  Wahrhait zu bekennen, ist es ain herrlich, schön fürstliches Werk und
  gibt gleichsamb der Statt ain sonderlichen Wolstand und Zier, stehet
  vor dem Pergstraßthor. Mit diesen und dergleichen noch vil mehr zu
  Unnuz angelegten vergeblichen Gelt hette man vil Hausarmen, Dürftigen
  merklich künen zu Hülf kommen oder damit in ander mehrlai Weeg
  schaffen können.

  Ich will aber darüber auch nit pergen, daß gemelter Erzbischoff im
  Fahl der Not oder Theurrung sich so vil mit Trait fürgesehen, wann es
  sich begeben.... Dieses Lob ainem Fürsten oder Erzbischoven
  nachzusagen, ist widerumben ain rühmliches Werk, zuedeme, so sind auch
  vil armer Handwerchsleüt, Taglöhner und dergleichen darbei erhalten
  worden und solcher Bau dannach etlicher Maßen zue Nuz kommen, denn
  welcher ist doch der, welcher gegen jedermann und in allen Dingen
  recht thuen kann, wie dann das gemaine Sprichwort sagt: Der ist weis
  und wohlgelehrt, der alle Ding zum Besten kehrt. Man sag und schreib
  von ihme, was man wöll, so höre ich, die Wahrhait zu bekennen, daß
  ihme noch vilmahls alles Guets nachgesagt und die ewige Freid
  herzlichen gewünschet würt, er noch vilmahls gewünschet und begert
  wirdet.”

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Vorwort.  •  I  •  II.  •  III.  •  IV.  •  V.  •  VI.  •  VII.  •  VIII.  •  IX.  •  X.  •  XI.  •  XII.  •  XIII.  •  XIV.  •  XV.  •  Fußnoten

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By Arthur Achleitner
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