Celsissimus
By Arthur Achleitner

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IV.

In der Bischofstadt gärte es im milden Lenz ärger, denn in den Tagen, da der junge Fürst ein Reformationsedikt erlassen, welches die bedeutendsten und reichsten Kaufleute zwang, Salzburg zu verlassen. Im Kapitel waren wohl Stimmen laut geworden, Mahnungen, just diese steuerkräftigen Leute im Lande zu behalten, ihren Handel eher zu begünstigen, denn zu schädigen, und Salzburg vor einem unausbleiblichen finanziellen Ruin zu bewahren. Allein Wolf Dietrich stieß sich am Ton dieser Stimmen, er erblickte eine Auflehnung seines Kapitels wider die Fürstengewalt und außerdem brauchte er Geld. Vielleicht wäre der Fürst den Mahnungen zugänglicher gewesen, wenn nicht der bischöfliche Fiskal bald nach der Erwählung Wolf Dietrichs in den Büchern die Entdeckung gemacht hätte, daß die Ausgaben des Erzstiftes dessen Einnahmen überstiegen. Die Thatsache einer Unterbilanz konnte den Fürsten nur veranlassen, auf neue Einnahmequellen zu sinnen und die Hofkammer zu beauftragen, Steuermandate zu konzipieren. Die Weinbesteuerung hatten die Salzburger zu einem Teile selbst heraufbeschworen durch massenhaften Verbrauch und die Klagen des Bürgermeisters über den “Saufteufel”. Es konnte Wolf Dietrich also ganz berechtigt spotten, daß die Unterthanen nur dankbar sein sollten, wenn er ihnen den Weinteufel abfasse. Wie die Steuer aber zur Einführung gebracht wurde, das bekundete ein hervorragendes Verständnis für finanzielle Erträgnisse, denn das Mandat faßte die wohlhabenden Klassen und zog dann auch alle jene zur Besteuerung heran, die bei einer direkten Steuer der Anlage entgangen wären. Alle Arten von Wein, gleichviel ob diese im Lande selbst gebaut[5] oder von auswärts eingeführt waren, wurden steuerpflichtig erklärt; von allem ausgeschenkten Wein mußte der zehnte Teil, von dem im eigenen Hause verbrauchten der zwanzigste Teil des Wertes in Barzahlung jeden Monat, bei Großkonsumenten oder Händlern jedes Quartal an die Hofkammer abgeliefert werden.

Diese Verfügung wurmte die Salzburger, die Ankündigung aber, daß die Weinsteuer “für ewige Zeiten” Geltung haben solle, brachte das Blut auch der Sanftmütigen in Wallung. Die hohe Steuer sollte aber nicht nur Bürger und Kaufleute, sondern auch die Geistlichkeit und den Adel treffen, und das machte die Landschaft rebellisch.

Es regnete Proteste in die Hofkammer, wie das schon Dr. Lueger durch den Domkapitular Grafen Lamberg dem Fürsten melden ließ.

Zugleich aber war eine Erhöhung der Mauten und Zölle für Kaufmannswaren verordnet worden, die auch auf die von Mauten bisher befreiten Kaufleute der Stadt Salzburg in der Absicht ausgedehnt wurde, den durch ihre Hände gehenden partiellen venetianischen Handel zu treffen.

So mußte es denn kommen, daß Bürger- und Kaufmannschaft, Adel und Geistlichkeit sich gegen die neuen Mandate auflehnten und den Beschwerdeweg beschritten.

Dr. Lueger wußte sich gegen dieses Anstürmen nicht anders zu helfen als durch Berichterstattung an den Fürsten, und seine Meldung veranlaßte Wolf Dietrich, den Hofstaat schleunigst von Hohenwerfen nach Salzburg zu verlegen, wohin auch kurze Zeit später Salome wieder übersiedelte.

Zunächst hörte der Fürst den Vortrag Luegers mit Aufmerksamkeit und Ausdauer und notierte sich die wichtigsten Punkte. Bezüglich der zu treffenden Maßnahmen und Verbescheidung der Beschwerdeschriften jedoch berief Wolf Dietrich den treubewährten klugen Freund Lamberg zu gemeinsamer Beratung im Arbeitsgemache des Keutschachhofes, wohin die Aktenstücke verbracht wurden, über welchen nun Wolf Dietrich stundenlang saß und studierte trotz aller Bitten Salomens, sich doch einige Erholung zu gönnen.

Liebreich doch bestimmt wies der Fürst auf die Notwendigkeit eines raschen Eingreifens hin, ansonsten in Salzburg ein allgemeiner Aufruhr losbreche, worauf Salome sich in ihre Gemächer zurückzog.

Inmitten eifrigsten Studiums ward Graf Lamberg gemeldet und sogleich vorgelassen.

Wolf Dietrich hatte eben die Beschwerde des Salzburger Stadtrates in Händen und rief dem Freunde zu: “Komm nur schnell heran, setze dich zu mir an den Sorgentisch, höre und dann gieb deine Meinung kund. Hier habe ich die Beschwernis des Stadtrates über Verletzung alter Freiheiten! Sie wollen die neuen Mauten und Zölle nicht zahlen und beklagen sich in einem Tone, in einer Sprache, die ich nicht anders bezeichnen kann, denn aufzüglich, undeutlich und bar der schuldigen Ehrfurcht!”

Vorsichtig fragte der kluge Edelmann und Kapitular: “Auf welche Privilegien beruft man sich?”

“Die Freiheiten gehen um einige Säkula zurück!”

“Dann ist mit Sicherheit anzunehmen, daß sothane Privilegia unter den früheren durchlauchtigsten Fürsten ihre Kraft und Wirksamkeit längst eingebüßt haben.”

“Das scheinet auch mir zweifellos, auch fehlet es an Zeit, all’ das im Archiv feststellen zu lassen. Ich bin nicht gewillt, auch nur eine von den Errungenschaften aus früheren Zeiten, so sie die jeweiligen Fürsten gewonnen und sich erstritten haben, aufzugeben. Und ein nunquam gegen eine Erneuerung alter, längst erloschener Rechte!”

Lamberg antwortete lediglich durch eine Verbeugung.

“Mich deucht, aus dem Handel mit Venedig können die Kaufleute Salzburgs nur Nutzen gezogen haben; ein Gegenteil würde die klugen Krämer sicherlich veranlaßt haben, die Beziehungen mit Venedig abzubrechen. Ist der Nutzen also erwiesen, und mich deucht, der Gewinn ist perpetuell,–so muß es vollkommen berechtigt erscheinen, die Zollsteigerung auch auf die Salzburger Kaufmannschaft auszudehnen.”

“Euer Hochfürstliche Gnaden argumentieren völlig richtig!”

Seinem Temperament entsprechend rief hastig und laut Wolf Dietrich: “So werd’ ich den Querulanten zu wissen thun, daß es verbleibt beim Mandat der Mauten und Zölle!”

Lamberg blieb stumm, sein Antlitz zeigte Falten, die den Fürsten, als er eben auf den Freund einen Blick richtete, veranlaßten zu fragen: “Du hast Bedenken? Sprich, Lamberg!”

“Schwer ist es in heiklen Dingen, eine Meinung zu äußern, zumal bemeldte Angelegenheiten sich völlig entziehen meinem gewohnten Wirkungskreise.”

“Keine Ausflüchte, Lamberg! Du siehst klar, hast ein trefflich Urteil! Sag’ deine Meinung mir als treubewährter Freund!”

Zögernd begann der Kapitular zu sprechen: “Die Zeit ist schlimm, die Erregung groß in vielen Kreisen. Der Mandate von einschneidender Wirkung sind zu viel in kurzer Zeit erflossen; es gärt allenthalben, und weder Adel noch Geistlichkeit sind eine feste Stütze für den gnädigen Fürsten....”

“Herr bin ich und stark genug, jeglichem Widerstand zu trotzen!”

“Gewiß, Euer Hochfürstliche Gnaden! Ein starker Herr und weiser Fürst! Doch aller Stützen kann füglich nur der Allmächtige über alle entraten! Was ist ein Thron, wenn Bürger, Adel und Geistlichkeit ihn stürzen wollen und zum Wanken bringen?!”

“So greif’ ich zum Schwert und werfe mit bewaffneten Scharen die Rebellen in den Sand!”

“Verzeiht mir, gnädiger Fürst und Herr! Ich bin zu weit abgekommen vom Thema, das zu erörtern ich sollte beflissen sein. Darf ich als treuergebener Unterthan raten, so möchte ich submissest bitten, in bemeldter Zollangelegenheit nicht zu scharf vorgehen zu wollen.”

“Wie soll ich die Grenze finden? Wohlwollen an Unwürdige verschwendet, ist Dummheit! Auch kann ich dir, dem treuen Freunde nicht verhehlen: wir brauchen Geld!”

“Trotzdem möcht’ ich um Milde bitten der Kaufmannschaft gegenüber! Ein partieller Nachlaß der geplanten Steuer würde als Wohlwollen dankbarst empfunden werden, und sothanes Wohlwollen könnte zum Beispiel immer noch gut ein Dritteil Zollerträgnis in die Hofkammer liefern.”

“Lamberg! Ich werde dich zum Chef des Steuerdepartements ernennen! Der Rat an sich will gut mich bedünken, doch zu groß scheint mir sothanes Wohlwollen! Wo ich alles fordern kann, ist Begnügung mit dem Dritteil nicht am Platze! Jeder Steuerpflichtige jammert vor dem Zahlen!”

“Hochfürstliche Gnaden werden hinfüro solches Wohlwollen in mehrfacher Hinsicht von Segen begleitet finden.”

“Wie meinst du das, Freund Lamberg?”

“Ein Nachgeben just jetzt dämpft die Erregung, macht den Ständeausschuß gefügig für die Weinsteuer, und die Ermäßigung der Zoll- und Mautgebühren könnte zur Sicherung des immerhin noch stattlichen Ertrages durch Bestimmungen fixiert werden. Auch meine ich submissest und unmaßgeblichst, daß beregtes Wohlwollen manchen Kaufherrn abhält vor–Auswanderung!”

Wolf Dietrich stutzte. Was Lamberg da andeutete, haben Stimmen im Kapitel auch schon betont, nur nicht so diplomatisch klug und ganz und gar nicht ehrerbietig. Nach kurzer Überlegung sprach der Fürst: “Niemals ist es meine Absicht gewesen, Leute zum Verlassen des Erzstiftes zu zwingen. Auswanderung ohne Genehmigung werde ich zu strafen wissen!”

“Ein Edikt kann desgleichen verhüten! Ermäßigung der Mauten und Zollgebühren wäre eine Gnade, deren Mißbrauch mit Aufhebung der Begünstigung geahndet werden kann. Ebenso wäre Erlaß einer Instruktion zur Durchführung der Weinsteuer empfehlenswert.”

“Erst muß ich ja das Votum der Landschaft haben!” warf Wolf Dietrich ein, und grollend klangen seine weiteren Worte: “Traurig genug, daß der regierende Fürst das Volk um Zustimmung angehen muß! Ging’ es nach meinem Kopf, ich schickte die Stände heim für immer!”

“Das können Hochfürstliche Gnaden bei nächster Gelegenheit thun im Wege einer harmlosen Entlassung. Nimmer aber könnte ich ob der Folgen zu einer Auflösung raten!”

“Ein kluger Rat fürwahr! Entlassung für immer! Auf die Wiederberufung können sie warten bis–in Salzburg nichts Neues mehr zu bauen ist!”

Überrascht fragte Lamberg: “Hochfürstliche Gnaden beabsichtigen größere Bauten?”

“Will ich, ja, habe aber jetzt dazu kein Geld! Wird sich hoffentlich später finden! Muß ja für Salome ein ihrer Schönheit würdiges Heim schaffen! Roma parva! Und kein Geld! Meine Weihsteuer[6] hab’ ich auch noch einzufordern–!”

“Darf ich hiezu ein Wort in schuldiger Ehrfurcht mir verstatten?” fragte Graf Lamberg, welcher die Gefahr dieser Steuereinhebung nur zu genau kannte.

“Sprich, Freund!”

“Submissest würde ich bitten, jetzt und auch für das nächste Jahr in Gnaden abzusehen von einer Eintreibung der Weihsteuer, die, nebenbei bemerkt, auch für den hochseligen Erzbischof und Fürsten Georg von Küenburg noch nicht bezahlt ist....”

“Nun also! Die Grundholden machen Schulden über Schulden, und der Fürst muß darben!–Warum widerratet Lamberg einer Einhebung der vollauf berechtigten Weihsteuer?”

“Gnädigster Fürst! Das vergangene Jahr brachte dem Erzstift das Glück Eurer Erwählung zum Gebieter und Landesherrn. Leider ward dieses allseitig tiefempfundene Glück getrübt durch Mißwachs, die Unterthanen, an sich nicht reich, sind andurch schwer geschädigt und kaum im stande, neue Steuern zu tragen. Die Eintreibung der restierenden Weihsteuer müßte vielen, großen Schwierigkeiten begegnen, müßte den neuen Herrn und Gebieter im Lichte der Hartherzigkeit dem armen Volk gegenüber erscheinen lassen, und unseren erhabenen Herrn möchte ich geliebt wissen allenthalben!”

Weichgestimmt reichte Wolf Dietrich dem Freunde die Hand und dankte für das ehrlich offene Wort. “Gut denn! Es soll nach deinem Rat geschehen! Will Freund Lamberg zu Tisch verbleiben? Salome wird sich freuen, dich begrüßen zu können!”

Ausweichend erwiderte Lamberg: “Wenn Hochfürstliche Gnaden verstatten, möchte ich jetzund einige Herren des Landschaftsausschusses aussuchen, um eine Zustimmung zur Weinsteuer zu propagieren!”

“Das hat wohl Zeit bis morgen! Wir wollen vergnügt zusammen speisen und haben solche Erquickung vollauf verdient nach schwerer Beratung. Dieweilen ich die Hauptpunkte noch rasch fixiere, soll Graf Lamberg meiner Salome Gesellschaft leisten!” Dies sprechend gab der Fürst ein Klingelzeichen und gebot dem eintretenden Kämmerer, den Domkapitular der Fürstin anzumelden und dorthin zu geleiten. “Auf Wiedersehen, Graf, bei Tisch!”

Unter genauester Beobachtung des Hofceremoniells verließ Lamberg das fürstliche Arbeitsgemach und folgte den Kämmerer in die Apartements der Favoritin, auf welchem Wege der Graf sowohl in reichgeschmückten Zimmern als auch an den Korridorwänden viele neue Gemälde erblickte, die Wolf Dietrich wohl erst vor kurzem mußte angeschafft haben und welche vielfach Darstellungen poetischer Fabeln, idealisierter Frauengestalten aus der Mythologie enthielten und dem Geschmack des Fürsten alle Ehre machten. Vor einer Venus hielt Lamberg einen Augenblick inne und widmete dem Bild eine flüchtige Betrachtung, das eine treffliche Kopie eines vom Kapitular im Palast des Kardinals Marx Sittich zu Rom gesehenen Originals zu sein schien.

Dienstbereit glaubte der Kämmerer sagen zu sollen, daß dieses Bild erst vor wenigen Tagen aus Rom für den gnädigen Fürsten angekommen sei.

Lamberg erwiderte kühl: “Ich kenne das Original zu Rom!”

“Das wäre etwas für die Salzburger, welche glauben, im Palazzo eines Erzbischofes dürfen nur Heiligenbilder sein!” meinte der Kämmerling.

“Es wird ausschließlich eigene Angelegenheit des durchlauchtigen Fürsten sein, den Palast nach Gutdünken auszuschmücken!” sprach abwehrend Graf Lamberg und schritt weiter, um sodann in einem luxuriös ausgeschmückten Gemache des Bescheides zum Empfang zu harren, indes der Kämmerling sich behufs Meldung zur Kammerfrau Salomes begab.

Lamberg, der viel in Rom gewesen und in vornehmen Häusern verkehrt hatte, wunderte sich über die kostbare Ausstattung der fürstlichen Gemächer keineswegs, da selbe welschem Geschmack und italienischer Prachtliebe entsprach; aber der Kapitular brachte den Luxus in Zusammenhang mit der eben gehörten Klage des Fürsten über den herrschenden Geldmangel, und in diesem Sinne war die Ursache der Kassenleere unschwer zu erraten. Lambergs Gedanken bewegten sich denn auch in dieser Richtung und führten zu Bedenken schwerer Art für die Zukunft. So kurze Zeit der Fürst regiert, er ist bereits auf gefährlichem Wege, und seine Liaison mit der Kaufmannstochter wird sicher noch zu den ärgerlichsten Folgen führen. Daß Rom daran noch keinen Anstoß genommen, vermag sich Lamberg nur aus der kurzen Spanne Zeit seit Entrierung dieses Verhältnisses sowie aus dem Umstand zu erklären, daß der Nuntius bislang nicht in Salzburg gewesen ist. Einen guten Ausgang kann aber diese Liaison nimmer nehmen, darüber ist sich Lamberg klar und deshalb entschlossen, nach Möglichkeit wenigstens eine wirkliche Ehe zu verhindern und damit den drohenden baldigen Sturz des Freundes.

In diesen Gedanken versunken war Lamberg tiefernst geworden und schreckte fast zusammen, als der Kämmerling meldete, daß die Gebieterin bereit sei, den Grafen zu empfangen.

Lamberg zwang sich zu höfischen Formen und scheuchte die ernsten Gedanken hinweg. Ganz Höfling und mit lächelnder Miene trat er in das mit fürstlichem Prunk ausgestattete Empfangsgemach, in welchem Salome auf einem goldgestickten Tabouret mit einer Perlenarbeit beschäftigt saß. In blaue Seide gekleidet, sah die Favoritin im Goldschmuck ihres blonden Haares wahrhaft entzückend aus, und Lamberg mußte den Fürsten in diesem Augenblick wirklich entschuldigen.

Salome hatte den eintretenden Kapitular mit schnellem, forschendem Blick gemustert, dann aber sprach sie lächelnd: “Willkommen, Graf, in meinem Reich!” und lud durch eine Geste den Besucher ein, an ihrer Seite Platz zu nehmen.

Nach tiefer Reverenzerweisung folgte Lamberg dieser Einladung und erwiderte: “Seine Hochfürstliche Gnaden haben mich zur Tafel befohlen und mir aufgetragen, vorher in diesen Räumen meine submisseste Aufwartung zu machen!”

Salome hatte augenblicklich die Situation erfaßt und schnell sprach sie: “So kommt Graf Lamberg nicht freiwillig, gehorcht lediglich einem Befehl des gnädigen Fürsten?!”

“Gewiß!” klang es trocken, doch fügte der Kapitular sogleich hinzu: “Wie sollte auch ein schlichter Unterthan zur hohen Gnade eines Empfanges ohne Befehl gelangen!”

“Graf Lamberg darf doch wohl stets freundlichen Empfanges gewärtig sein!”

Sich dankend verbeugend sprach der Kapitular: “Ich kann nur heißen Dank für die wohlwollende Gesinnung zu Füßen legen der ebenso schönen als guten gnädigen Frau!”

“Frau?! Ihr wißt so gut wie ich, daß keinen Anspruch ich genieße auf dieses Ehrenwort, und offen sei’s gesagt: Ich leide schwer unter sothanem Mangel der Legitimität!”

“Gnädige Gebieterin leiden zu wissen, berührt schmerzlich Dero unterthänigsten Diener!”

“Wenn Ihr heget Mitgefühl, so leiht Euren Arm, weihet mir Eures Geistes Kraft, helft mir erreichen das ersehnte Ziel!”

“Ihr überschätzet wohl im heißen Drange meine schwache Kraft, gnädige Gebieterin! Wie sollt’ ein Unterthan vermögen des hohen Herrn Pläne zu beeinflussen?!”

“Graf Lamberg ist des Fürsten Freund und gewichtig jedes Wort! Warum nur will Graf Lamberg nicht sein auch meines Wesens warmfühlender Freund?”

Der Kapitular richtete blitzschnell einen forschenden Blick auf Salome, senkte dann wieder die Lider und sprach leise: “Was könnt’ meine Freundschaft Euch auch nützen?!”

“Mein Ohr vernimmt das ’Nein’, so warm auch klingt der Ton der leise abwehrenden Rede!”

“Nicht doch, gnädige Gebieterin!”

Salome richtete sich auf, fest im Ton sprach sie: “Ihr wollet nicht, ich ahnt’ es längst! Mir sagt mein Herz, Graf Lamberg ist der Feind des legitimen Bundes!”

Jetzt gab auch der Kapitular in der Erkenntnis, durchschaut zu sein, das Spiel mit Ausflüchten auf, trocken erwiderte er: “Streng und scharf umzogen ist der Bereich meines Wirkens! Spräch’ ich im Amte, mißbilligen müßt’ ich jeglichen Bund im Sinne kirchlicher Gesetze. Unmöglich ist jedoch die Legitimität, die Strafe Roms wird folgen rasch solch verhängnisvollem Schritt!”

Höhnisch klangen der Favoritin Worte: “Die Strafe Roms! Wie straft Rom wohl einen Marx Sittich und sein unkirchlich Leben?”

Erstaunt, völlig überrascht rief Lamberg: “Ihr wißt davon?!”

“Jawohl! Warum nahm des Papstes Heiligkeit keinen Anstoß an der Ehe des verwandten Kardinals? Entspricht der tolle Lebenswandel seines Sohnes Robert und der Tochter Althäa den Gesetzen, die auch für einen Kardinal gelten müssen?”

“Marx Sittich ward Vater, ehe der Kardinalspurpur ihn bekleidete! Und Rom ist nicht Salzburg!”

“Ausflüchte, weiter nichts! Was bei dem einen nicht strafbar ist, kann beim anderen zum mindesten geduldet werden! Und Wolf Dietrich kann das pater noster lateinisch beten! Kann das der Kardinal auch?”

“Das wißt Ihr auch?” stammelte in maßloser Überraschung über solche intime Kenntnis römischer Verhältnisse Graf Lamberg.

“Nimmt Euch das Wunder?”

“Wenn ich denke an das Unmögliche: ja!”

“Was soll unmöglich sein?”

“Unmöglich ist, daß der gnädige Fürst solche Informationen selbst gegeben!”

“Meint Ihr?! Schlimm wäre es, sähe der Fürst in mir nicht auch die vertraute Freundin, mit der man alles bespricht. In diesem Teile hat eingelöst der Fürst sein Wort: zu teilen Thron und Leben mit mir!–Ihr möget viel von Politik mit dem Gebieter reden und geben manchen Ratschlag, eine Instanz steht dennoch über Eurer Pläne feingesponnenes Gewebe....”

“So existieret das Faktum eines Konseils in Seidenrocken?! Das wußt’ ich wahrlich nicht!”

“Nun wisset Ihr’s! Und Eure Wissenschaft will ergänzen ich: Seid Ihr fürder nicht für mich und den ersehnten legitimen Bund, so seid Ihr nicht Freund, seid Ihr ein Feind, und gegen Feinde werd’ ich mich zu wehren wissen!”

“Ich bin nichts weiter als der treuergebene Diener meines gnädigen Herrn und habe dessen höchstes Wohl und dessen Thrones Sicherheit zu fördern bis zu meinem dereinstigen Ende!”

“Für des Fürsten Wohl laßt mich nur sorgen! Und seines Thrones Sicherheit weiß Wolf Dietrich wahrlich selbst zu schützen!”

Jetzt zuckte Lamberg die Achseln und spöttisch sagte er: “In diesen Zeiten drohender Rebellion im Erzstift wird Frauenpolitik kaum Ruhe schaffen!”

Ein diskretes Klopfen an der Thüre veranlaßte die sofortige Unterbrechung des Gespräches, die auf Geheiß Salomes eintretende Kammerfrau meldete das Nahen des Fürsten und zog sich dann diskret zurück.

Leise sprach Salome: “Wie will Graf Lamberg es nun halten?” und erhob sich von dem Sitze.

Gewandt, aalglatt erwiderte der Kapitular: “Die gnädige Gebieterin wolle verfügen über mich!”

“Gut denn, kommt des öfteren als Freund!”

Der Eintritt Wolf Dietrichs überhob Lamberg einer Antwort. Man plauderte noch ein Weilchen, dann reichte der Fürst Salome den Arm und geleitete die Dame seines Herzens, gefolgt von Lamberg, in den Speisesaal, in welchem Höflinge und einige zur Tafel geladene Patrizier bereits harrten.

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Vorwort.  •  I  •  II.  •  III.  •  IV.  •  V.  •  VI.  •  VII.  •  VIII.  •  IX.  •  X.  •  XI.  •  XII.  •  XIII.  •  XIV.  •  XV.  •  Fußnoten

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