Celsissimus
By Arthur Achleitner

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VI.

Salzburgs Berge trugen blinkenden Neuschnee, weiß waren die Fluren in weiter Thalung, der Frühwinter zog ins stiftische Land. Dämpften die wirbelnden Flocken den Aufruhr in der Natur, legten sich die Stürme, es ward auch ruhiger im Bürgerleben der Bischofsstadt, nachdem seitens der Landschaftsmitglieder den Bürgern auseinandergesetzt worden, daß man nur der Not gehorchte, indem die Zustimmung zu den Steuermandaten des Fürsten erteilt wurde. Loderte mancher Hitzkopf in der Ratsstube der bei Wein oder Bier in der Trinkstube auf und donnerte gegen die Mißwirtschaft, so hielten verständigere Leute entgegen, daß die Hauptsache sei, mit dem hochfahrenden Fürsten zunächst ein Auskommen zu finden, ansonsten es weit schlimmer werden müßte. Was jetzt gefordert werde, könne der Salzburger zahlen, eigentlich sogar ein Erkleckliches mehr, man habe in der Landschaft gejammert genug und sich endlich zufrieden gegeben. Dafür müsse aber Ruhe werden. Mählich wirkte solche Beschwichtigung, und der reichliche Schneefall schläferte das Leben ein. Besondere Ereignisse gab es nicht, selbst bei Hof ging es ruhig, ohne Prunktafeln oder sonstiges Schaugepränge zu; Salzburg trug mit dem Schnee auf den Dächern eine gewaltige Schlafmütze auf dem Kopf. Ein stilles Schaffen in den Schreibstuben der Handelsherren wie auch in den Kanzleien der Behörden; lauter ward es in den Arbeitsstätten der Wagner und Schmiede, bei letzteren geht die Hufbeschlagsarbeit und Wagenbereifung ja das ganze Jahr über nicht aus.

Der Winter ließ sich ehrlich an, wie es Brauch ist im Gebirg. Es schneite etliche Tage ununterbrochen, dann setzte Frost ein, der die Schneeschicht rasch erhärtete, so daß die Kärrner nach den Kufen griffen und die Lasten auf Schlitten verfrachtet wurden.

Haar und Bart weißbereift zogen die Knechte neben den gleichfalls an Kopf und Schwanz bereiften Pferden schneewatend die Straße vom Paß Lueg über Hallein gen Salzburg und die Schlitten verursachten im harstigen Schnee ein knisternd singendes, pfeifendes Geräusch. Vom Staufen her wirft die zur Rüste gegangene Sonne leuchtende Strahlenbündel zum Untersberg und hinein in den grauen Himmel. In der Richtung des Gaisberges wogt nebliger rötlichblauer Dunst, der sich rasch über die gurgelnde Salzach verbreitet, die Thalung bis zu den Felstürmchen der Salinenstadt erfüllt. Die Kärrner wandern peitschenknallend durch die Dämmerung und fluchen über die Verspätung, das langsame Vorwärtskommen durch den tiefen Schnee. Der Hochthron des Untersberges erglüht im letzten Sonnengold, ein purpurn Aufleuchten bis hinüber zum Göhl und den vereisten Zinnen des Tennengebirges, dann steigt kalter Nebel aus der Thalung auf, immer rascher sich hebend, bis erst ein feiner Dunst das Firmament verschleiert, durch den die Sterne funkeln, bis sich der Nebelschleier stark verdichtet.

Die Kärrner wußten wohl, warum sie ihre Rosse immer wieder antrieben und die Fahrt beschleunigen wollten. Folgte ihnen doch auf Entfernung eines Halbtages ein Trupp “Gartbrüder"[7], denen ein übler Ruf vorauslief. Der Trupp, so hieß es, komme von der ungarischen Grenze und ziehe gen Salzburg, weil auf Gebot des Erzbischofes in Kärnten den gartierenden Knechten nichts verabreicht werden dürfte, ja weil ein Punkt der Verordnung ausdrücklich besagte, daß ein Gartbruder in Widerlichkeit totgeschlagen, der Thäter aber nicht zur Strafe gezogen werden dürfe. Die Kärntner machten sich diese Erlaubnis gerne zu nutze und vertrieben diese Landplage rasch, weshalb den mit vielem Gesindel vermischten Gartbrüdern nichts anderes übrig blieb, als dem Urheber ihrer Verjagung einen Besuch abzustatten und die “Ritterzehrung” vom Erzbischof zu erbitten. Mit solchem Gesindel im Rücken wird jeder Fuhrmann eilig, und schneller, als man es bei Frachtfuhrwerken möglich halten sollte, erreichten die Kärrner die schützende Stadtmauer von Salzburg, und ehe noch völlig ausgeschirrt war, flog die Alarmkunde von dem Anrücken der Gartbrüder durch die Stadt, überall Aufregung und Schrecken erzeugend.

Im Keutschachhofe, der fürstlichen Residenz, erfuhr man davon auch, und den Thürstehern schien die Kunde wichtig genug, sie den Kämmerern zu überbringen, auf daß der Landesherr verständigt werde.

Wolf Dietrich verbrachte aber den Winterabend in den wohlig erwärmten, behaglichen Räumen Salomens, wo er nicht von Außendingen behelligt werden will. Das Licht einer venetianischen Ampel bestrahlte mild das reichgeschmückte Gemach und ließ Salomes Blondhaar in zauberhaftem Goldton erscheinen. Bleich waren der Gesponsin Wangen, müde der Blick der sonst so lebfrischen Augen; Salome schien kränklich, die frühere Munterkeit, das schalkhafte Wesen, der sprühende Witz ist verflogen, die nimmermüden Hände ruhen unthätig im Schoß, die Perlenarbeit ist unvollendet geblieben.

Dem scharfen Auge Wolf Dietrichs blieb diese Veränderung nicht verborgen, von Sorge erfüllt trat er näher und fragte in liebreichen, milden Worten, ob er den Medikus senden dürfe.

Den lieblichen Blondkopf schüttelnd erwidere Salome: “Nein, mein gnädiger Fürst und Herr! Ich danke Euch inniglich für sothane gnädige Fürsorge. Doch der Medikus ist hiezu nicht nötig!”

Der Ton machte den jungen Gebieter stutzig und wieder besah er das holde Frauenbild an seiner Seite. “Salome, was ist dir?”

Da neigte Salome das Köpfchen und flüsterte erglühend dem geliebten Gebieter ein zart Geheimnis ins Ohr.

“Sonne meines Lebens, holdes, herrliches Weib! Wie soll ich dirs danken!” rief Wolf Dietrich beseligt, sank ins Knie und überdeckte Salomes zusammengefaßte Hände mit heißen Küssen. “Welches Glück gewährt mir mein süßes, holdes Weib!” Ein Schatten flog über Salomes Antlitz, geisterhafte Blässe machte die bleichen Wangen schier durchsichtig, bebenden Tones sprach Salome: “Glück? Meinem gnädigen Herrn mag es frohe Botschaft sein! Mir nagt die Sorge am Herzen!”

“Sorgen, du–?” rief Wolf Dietrich und erhob sich. “Ich dachte, fern gehalten sei des Lebens jegliche Alltagssorge von dir, und sicher betreuet dein Walten an meiner Seite! Was zu erwarten bringt wohl Sorgen, die gleich sind im Palazzo wie in der Armut Hütten! Königinnen und Bettlerinnen teilen eins mit dem andern gleich die Bestimmung des Weibes!”

“Nicht das, geliebter Herr und Fürst, erfüllt mein dankbar Frauenherz mit banger Sorge–der Blick in der Zukunft Tage ist trüb, will sich nicht klären–”

“Nicht vermag erfassen ich den Sinn der dunklen Worte!”

“Ein Wort von Euch, geliebter Herr, und Sonnenschein erleuchtet mir den Weg bis zur schweren Stunde!”

Jetzt wußte Wolf Dietrich die Sehnsucht der Favoritin zu deuten, und nun flog ein Schatten des Unmutes über sein Antlitz, und ein Zucken lief durch seinen schmächtigen Körper. Hastig sprach der Fürst: “Verzeih’, Salome! Schon einmal mußt’ um Geduld ich bitten dich und anjetzo wiederhol’ ich solche Bitte. Der Zeitenlauf stellt übel sich zu diesem Plane! Restaurieren soll ich, den Priesterstand purifizieren. Ich kann nicht in dieser Zeit ein verderblich Beispiel geben, das hundertfach Nachahmung würde finden und mich bringen in Konflikt mit Rom.”

Salome brach in Thränen aus und schluchzte bitterlich.

“Gebeut der Zähren, mein holdes, süßes Weib! Mein fürstlich Wort, ich geb’ es dir wie einst, da wir den Lebensbund geschlossen, doch jetzund vermag ich’s nicht, die Zeit ist stärker als mein eigner Wille, und stören würde die Legitimität die Pläne Roms....”

Salome blickte thränenerfüllten Auges fragend auf.

“Ja, Geliebte! Ich habe sichere Kunde, daß lohnen will Rom meine Dienste mit dem roten Hut–”

“So wird Kardinal mein gnädiger Herr?” fragte zitternd die Favoritin.

Wolf nickte. “Mein Oheim Hohenems gab Kunde mir durch vertrauten Boten, doch ließ er zugleich wissen mir, daß Bayerns Herzog feindlich sich stelle gegen meine Promotion.”

“Wer kann Feind sein meinem gnädigen Herrn!”

“Salome, meines Herzens Glück und Wonne freilich nicht und das dank’ ich dir aus ganzem Herzen. Doch anders ist es in der Politik, und Bayern wühlt, seit gekündigt ich aus guten Gründen den Landsberger Bund. Schier fürcht’ ich, es werden erwachsen stürmische Zeiten noch aus dieser Sache, für Salzburg ist Salz ein wichtig und gar strittig Ding. Genug davon, in holder Damen Nähe sei verpönt die Politik. So viel nur sei gesagt und nur für deine Ohren: Bestrebt muß ich sein, Bauern zu gewinnen oder doch des Herzogs Neutralität erreichen in der Frage meines Kardinalates. Drum bitt’ ich dich, Geliebte meines Herzens, hab’ Geduld! Fürstin bist du an meiner Seite, stehest an der Spitze des Hofes gleich mir, bist Gattin mir und–”

“–Mutter!” hauchte Salome, “Mutter eines Kindes, das ehrlicher Geburt sich nicht wird zu erfreuen haben!”

“Nicht doch, Salome! Als Fürst geb’ ich dem Sprößling meinen Namen, mit Fug und Recht, mit der Macht des Stiftsherrn nenn’ einen Raittenau ich, so ein Knab’ mir wird gegeben aus deinem Schoß!”

Über Wolf Dietrich war jene Unruhe gekommen, deren Beute der heißblütige Fürst immer ward in unangenehmen Dingen. Hastig brach er die Zwiesprache ab, küßte Salomes schmale Hand, versprach ein baldig Wiedersehen und verließ das traute Gemach, in welchem die Favoritin leise schluchzend zurückblieb.

Im Arbeitskabinett, das von Dienern inzwischen hell erleuchtet worden war, erhielt der Fürst nun die Meldung, daß ein Haufen Landsknechte, Gartbrüder von der ungarischen Grenze und aus Kärnten verwiesen, vor den Thoren stünden und vom gnädigen Herrn die Ritterzehrung erbitten möchten.

Das vom Vater ererbte Soldatenblut regte sich im Fürsten, der durchaus nicht etwa besorgt, im Gegenteil amüsiert rief: “Ha, Landsknechte! Das bringt kriegerisch Leben in unsere Stadt! Ich brauche Leute auf Hohensalzburg wie auf Hohenwerfen, und längst schon wartet des Kaisers Majestät auf Salzburgs Türkenfähndlein!”

Der Hofmarschalk erhielt Auftrag, die Landsknechte einzuladen und für deren Unterkunft auf Kosten des Fürsten zu sorgen.

So zog denn ein Haufe von etwa 500 Mann im wuchtigen Taktschritt spät abends durch die Steingasse ein, und den Trommelschlag begleitete nach Landsknechtart der charakteristische Ruf: “Hüt’ dich, Bauer, ich komm’!”

Es nützte im Geviert der engeren Stadt nicht viel, daß die Bürger ihre Häuser ängstlich verschlossen hielten, die Einquartierung auf fürstlichen Befehl mußte vollzogen werden, doch brachte man den größten Teil der Soldateska in bischöflichen Gebäulichkeiten unter, und so namentlich die Weiber, Mägde, Buben, Marketender und Händler, die wie immer den Beschluß des letzten Haufens bildeten.

Die Noblesse des Fürsten, für die obdachlose Soldateska zu sorgen, wurde von den Landsknechten fürs erste dankbar anerkannt, bei reichlicher Mahlzeit und gespendetem Bier und Wein proklamierten die Kerle jubelnd den kriegerischen Bischof als ihren “Patron”. Die Kunde von solch’ guter Aufnahme in Salzburg und der fürstlichen Munificenz lief aber rasch hinaus ins Land, auch nach Bayern, und hatte zur Folge, daß noch mehr versorgungslustige Landsknechte zuströmten, mit ihnen Abenteurer aller Art in Haufen, die alle der noblen “Ritterzehrung” teilhaft werden wollten und alsbald die Salzburger wegen mancherlei Übelthaten zum Klagen brachten.

Beschwerden über Beschwerden wurden laut, sie drangen auch zum Ohr des Fürsten, der schließlich gebot, es solle Gericht gehalten und der ärgste Übelthäter zur Abschreckung der anderen bestraft werden nach Landsknechtbrauch.

Das gab denn eine Augenweide für die Salzburger, welche manchen erlittenen Schaden aufwog. Das “Recht der langen Spieße” sollte in Wirklichkeit zum Vollzug kommen, und zwar an einem Gartbruder, der schimpflich gestohlen, geraubt und dabei wehrlose Weiber aufs Blut geschlagen hatte.

An einem kalten Morgen wurde auf einem freien Platz vor der Stadtmauer von allen Landsknechten ein Kreis gebildet und der Profoß, umgeben von fürstlichen Trabanten, trat mit dem Angeschuldigten in diesen Kreis. Halb Salzburg besah sich das Schauspiel, wo immer ein Platz zu erobern war.

Feierlich erklang die Ansprache des gefürchteten Profoßen. “Guten Morgen, Ihr lieben, ehrlichen Landsknechte, Edel und Unedel, wie uns Gott zueinander gebracht hat! Ihr traget alle Wissen, wie wir anfänglich geschworen haben, gut Regiment zu führen, dem Armen wie dem Reichen, dem Reichen wie dem Armen, alle Ungerechtigkeit zu strafen, darauf ich, liebe Landsknechte, auf heutigen Tag ein Mehr[8] begehre, mir helfen solches Übel zu strafen, daß wir es verantworten können bei dem gnädigen Fürsten!”

Kreideweiß ward des Delinquenten Gesicht.

Nun erhob der Feldwebel seine rauhe Stimme: “Ihr habet des Profoßen Wort verstanden; welchem es lieb ist, daß wir demselben nachkommen, der hebe seine Hand auf!”

Im Banne des Augenblickes streckten wohl fast alle Knechte die Hände auf.

Der Profoß erhob die Anklage, nach welcher der anwesende Gartierer unter Mißbrauch von Landsknechterecht und Gastfreundschaft Diebstahl, Raub und Schlägerei verübet, sich also eines schweren Verbrechens schuldig gemacht habe und auf fürstlichen Befehl gepönt werden müsse. Auf bemeldtem Verbrechen stehe das Recht der langen Spieße.

Auf den Vorhalt, ob der Angeklagte seine Unthat verantworten könne, brachte der Gartierer, dem trotz der Winterkälte der Angstschweiß von der Stirne lief, kein Wort hervor.

Dreimal und unmittelbar hintereinander wurde die Klage wiederholt und ebenso oft zur Verantwortung aufgerufen. Der Gartierer wimmerte zum Schluß um Gnade.

Die zwei anwesenden Fähnriche thaten ihre Fahnen zu, steckten sie mit dem Eisen in den schneeigen Boden, und einer derselben sprach fest und laut: “Liebe, ehrliche Landsknechte! Ihr habet des Profoßen schwere Klage wohl vernommen, darauf wir unser Fähnlein zuthun, und es in das Erdreich kehren und wollen es nimmer fliegen lassen, bis über solche Klage ein Urteil ergeht, auf das unser Regiment ehrlich sei. Wir bitten Euch alle insgemein, Ihr wollet im Rat unparteiisch sein, soweit eines jeden Verstand ausreicht. Wann das geschieht, wollen wir unser Fähnlein wieder lassen fliegen und bei Euch thun, wie ehrlichen Fähnrichen zusteht.”

In der Erwartung des bevorstehenden Schuldspruches fühlte niemand den beißenden Frost, der Haar und Bart der Soldateska wie der Bürger weißbekrustete.

“Es trete ein Knecht vor und in den Ring, zu fällen das Urteil!” rief der Feldwebel.

Einer der Landsknechte trat wohl vor, erklärte aber, des Urteils allein sich nicht gewachsen zu fühlen, weshalb er bitte, ihm noch vierzig Knechte zur Beratung beizugeben.

“Dem geschehe nach Brauch und Wunsch!” verkündete der Weibel und bezeichnete vierzig Landsknechte, die aus dem Ring traten und abseit Besprechung untereinander pflogen.

Das dauerte eine Weile, dann kehrte die Schar zurück, worauf nochmals einundvierzig Mann zur Beratung abkommandiert wurden.

Beide Abteilungen wurden nun gefragt, ob sie das Urteil fertig hätten. Auf ihr schallendes “Ja!” wandte sich der Weibel an den gesamten, wieder geschlossenen Ring und verkündete den Beschluß der zweiundachtzig Mann, der auf “schuldig” lautete. “Ist das Regiment gewillet, sobemeldtes “Schuldig” zu bestätigen?” fragte er mit dröhnender Stimme die Soldateska, “so erhebe jeglicher Knecht, Mann und Fähnrich, die rechte Hand!”

Vielhundertfach flogen die Hände auf, die Schar schien ernstlichen Willens, die Missethat zu ahnden, um dadurch bei Fürst und Volk wieder zu einigem Ansehen zu gelangen.

Der Weibel verkündete: “Das Regiment hat gesprochen, der Übelthäter ist schuldig. Man führe ihn zum Beichtiger! Derweilen nehme das Wort ein Fähnrich nach Brauch!”

Das geschah in der Weise, daß einer der Fähnriche sich bedankte für die Willigkeit, gut Regiment zuhalten. Hierauf hoben beide Fähnriche die Fahnen wieder auf und entrollten sie im frischen Morgenwind.

Der Profoß übernahm jetzt den Befehl zur Exekution des Schuldspruches und ließ eine Gasse bilden, deren eine Öffnung die Fähnriche mit nach innen gefällter Fahne verschlossen.

Unter Trommelwirbel wurde der Verurteilte, dem ein herbeigeholter Priester die Beichte abgenommen, an den oberen Eingang der Gasse gebracht; die Knechte senkten ihre Spieße, so daß die Gasse ein eisenstarrender Engpaß wurde, aus dem es kein Entrinnen mehr giebt und der den sicheren Tod bringen muß.

“Hierher mit dem ’armen Mann’!” befahl der Profoß, der nun den Delinquenten mit drei Schwertstreichen auf die Schulter im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes zum Todeslaufe weihte und dann der Soldateska verkündete, daß der Knecht, welcher den Verurteilten ausbrechen ließe, gleichfalls ins Eisen laufen müsse.

Zum Todgeweihten gewendet, rief der Profoß: “Nun auf! Lauf flink und fest ins Eisen, dann bist schneller erlöset! Marsch!”

Ein Zögern, ein letzter Blick voll Todesangst auf die starrenden Spieße, ein Stoß von der Faust des unerbittlichen Profoßen, dann sprang der Ärmste los und rannte in die spitzen Eisen, daß es aus der Brust rot aufging. Ein Schrei–ein Röcheln–der Sterbende liegt im Schnee, ein Halbdutzend Spieße stecken in der blutenden, zuckenden Brust, bis das Leben entflohen ist.

“Die Spieße auf! Zum Gebet!” befahl der Weibel.

Die Soldateska kniete nieder und betete für die Seele des Vermiedenen. Und schluchzend beteten die Zuschauer aus der Bürgerschaft mit, von tiefstem Mitleid für den Gerichteten ergriffen.

Wieder ertönte ein Kommando, in dessen Befolgung die Knechte dreimal Umzug um den Leichnam hielten und die Hakenschützen dreimal ihre Büchsen abschossen.

Damit hatte das blutige Schauspiel ein Ende.

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Vorwort.  •  I  •  II.  •  III.  •  IV.  •  V.  •  VI.  •  VII.  •  VIII.  •  IX.  •  X.  •  XI.  •  XII.  •  XIII.  •  XIV.  •  XV.  •  Fußnoten

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